Arbeitsweise 4.0 statt Rückfall ins Analoge: Wie wir Fachkräfte im Inland aktivieren

In politischen Debatten klingt es oft einfach: Deutschland fehlen Fachkräfte, also müssen wir sie aus dem Ausland holen. Doch wer genau hinschaut, erkennt, dass es sich hierbei um eine symptomatische Reaktion handelt, nicht um eine ursachenorientierte Strategie. Denn die eigentlich unbequeme Frage wird kaum gestellt: Warum entscheiden sich so wenige Menschen in Deutschland für genau jene Berufe, in denen der Mangel am größten ist? Und was sagt es über ein System aus, wenn die einzige Lösung darin besteht, Menschen aus anderen Ländern in ein System zu führen, das selbst für viele inländische Bewerber nicht mehr attraktiv erscheint?
Der Begriff „Arbeitsweise 4.0“ bringt auf den Punkt, was fehlt. Wir brauchen nicht mehr vom Alten, sondern eine neue Logik der Arbeitswelt. Eine Logik, die den Menschen ernst nimmt, die Rahmenbedingungen intelligent denkt, die moderne Technologie nicht als Bedrohung, sondern als Ermöglichung versteht. Und vor allem eine Logik, die nicht auf globalen Verdrängungseffekten basiert, sondern auf echter Souveränität im eigenen Arbeitsmarkt.
Es braucht keine neuen Zielgruppen – es braucht neue Bedingungen
In den vergangenen Jahren hat sich ein gefährliches Muster etabliert: Wenn bestimmte Arbeitsfelder in Deutschland dauerhaft unbesetzt bleiben, wird die Lösung nicht mehr im System gesucht, sondern im Außen. Die Debatte um ausländische Fachkräfte driftet so unbemerkt in eine Richtung ab, die nicht nur ökonomisch fragwürdig, sondern ethisch brisant ist. Denn was bedeutet es langfristig für unsere Gesellschaft, wenn wir uns daran gewöhnen, jene Arbeit, die hier keiner mehr machen will, einfach zu importieren? Nach dem Motto: Wenn wir hier niemanden mehr finden, suchen wir eben anderswo.
Diese Herangehensweise zeugt nicht von Souveränität, sondern von struktureller Bankrotterklärung. Wer eine resiliente, zukunftsfähige Gesellschaft will, muss den Anspruch haben, seine eigenen Potenziale zu erkennen, zu fördern und zur Entfaltung zu bringen. Dafür braucht es keine Appelle, sondern Rahmenbedingungen, die so gestaltet sind, dass Leistung, Engagement und Berufsstolz wieder zusammenfinden. Und diese Rahmenbedingungen müssen innovativ gedacht werden – jenseits der üblichen Lösungsraster.
Ein starker Binnenarbeitsmarkt stärkt den ganzen Kontinent – und schützt die Verbraucher
Ein Arbeitsmarkt, der aus sich selbst heraus wachsen kann, ist mehr als ein innenpolitisches Ziel. Er ist eine strategische Voraussetzung für die wirtschaftliche Stärke Deutschlands und der Europäischen Union. Denn jeder Mensch, der hier qualifiziert und fair beschäftigt wird, stärkt die regionale Wertschöpfung, die Kaufkraft vor Ort und die Stabilität der Systeme. Der Binnenarbeitsmarkt wird zur ökonomischen Verteidigungslinie – gegen internationale Abhängigkeiten, gegen soziale Spaltung, gegen den Verlust von Fachwissen und Produktionskompetenz.
Und das betrifft auch die Verbraucher. Denn wer sich eine starke heimische Arbeitswelt leistet, kann Produkte und Dienstleistungen aus vertrauenswürdigen, nachvollziehbaren Quellen anbieten. Der Trend zu ultrabilligen, unter menschenrechtswidrigen Bedingungen produzierten Importwaren – zuletzt etwa sichtbar im Fall der gesundheitsgefährdenden Schokoladenimporte aus Dubai – ist nicht nur ein ethisches Problem, sondern ein strukturelles Risiko für Verbraucher, die Qualität, Sicherheit und Fairness erwarten dürfen.
Eine starke Fachkräftebasis im eigenen Land sorgt dafür, dass Dienstleistungen sicher, zuverlässig und verantwortungsvoll erbracht werden. Dass Pflege nicht zur Importware wird. Dass Bildung nicht ausgedünnt, sondern erneuert wird. Und dass Unternehmen in der Lage bleiben, innovativ zu sein, ohne die soziale Substanz zu verlieren. Verbraucher profitieren so nicht nur von besseren Produkten, sondern von einem Umfeld, in dem Qualität, Menschenwürde und Nachhaltigkeit kein Luxus, sondern Standard sind.
"Die Zukunft beginnt dort, wo wir die Verantwortung nicht mehr auslagern"
Das sagt der DEHIB-Bundesvorsitzende Ricardo Dietl. Wenn Deutschland sich nämlich entschließt, Arbeitsweise 4.0 nicht als Schlagwort, sondern als Strukturprinzip zu begreifen, kann daraus ein neuer Arbeitsmarkt entstehen – einer, der nicht auf Verlagerung basiert, sondern auf Gestaltung. Wer jetzt die richtigen Weichen stellt, schafft nicht nur Fachkräfte, sondern Vertrauen. Und genau das braucht unser Land. Mehr denn je.
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